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Achtung! Heute werde ich ein wenig emotional.
Mir ist bewusst, Trends kommen und gehen: Mal heißen sie Wellness, dann Spa, heute sind es Meditation und Achtsamkeits-Seminare. Sie sind der Rettungsring für Stressgeplagte, um an Land zu schwimmen und einmal durchzuatmen.
Selbst Firmen und Krankenkassen belohnen Teilnehmer, wenn sie in ihrer Pause „in sich“ gehen.

Es ist auch nur wenige Jahrzehnte her, als Ärzte noch für Zigaretten geworben haben. Die Begründung: Stress sei der Ursprung vieler Krankheiten. Und zu rauchen, baue ja Stress ab. Also war das Rauchen gesund. Schon klar.
Aber weißt du was? Wir haben das wirklich geglaubt.

Natürlich wissen wir es besser heute – glücklicherweise. Verstehe mich nicht falsch: es macht durchaus Sinn (und tut ja auch gut), etwas für seine Entspannung zu tun.

Die Frage ist nur, hilft es mir tatsächlich aus meinem Problem? Glaubst du an die Formel:

Stress + Entspannung= Problem gelöst

Genau bei dieser Frage treffe ich immer wieder auf irrtümliche Rückschlüsse.
Dazu jetzt meine 6 Überlegungen und Kritik am Achtsamkeits-Boom.

 

 

Die 6 Nebenwirkungen des Achtsamkeit-Trends

Bevor ich mit einer Kundin arbeite, stelle ich anfangs diese Frage: „Was haben sie schon getan, um ihr Thema zu lösen?“
Und ich erhalte in 90% die Antwort: „Yoga, Achtsamkeitstechniken und manchmal versuche ich zu meditieren.“

Mir scheint es so, als hätten wir ein Allheilmittel gefunden.

Und obwohl die Ursprungsidee von Achtsamkeit aus Asien kommt, wurde dort gleichzeitig der Begriff Karõshi geprägt.
Karõshi  – heißt Tod durch Überarbeiten. Der Begriff tauchte 1969 in Japan auf. Glücklicherweise hat man selbst dort irgendwann erkannt, dass jahrelanges Überarbeiten nicht nur zu Ehre, sondern auch zum Herztod führen kann.

Jemand, dem es schwerfällt, sich gut abzugrenzen, der regelmäßig über seine Belastungsgrenze geht oder allen Erwartungen gerecht werden will, gerät zwangsläufig irgendwann in Stress. Nicht durch die Arbeitslast, sondern durch seine Einstellung oder Befürchtungen.
Und die bleiben hartnäckig bestehen, selbst, wenn man sie achtsam beobachtet hat.

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Stress schadet nicht nur den Organen (so erkennst du typische Stress-Symtome erkennen- hier gehts zum Artikel), sondern kann vor allem unglücklich machen.

Wie passt nun zu diesem Problem, das Konzept von Achtsamkeitstechniken?
Mir ist das in vielen Fällen tatsächlich nicht klar.

Die Ausnahme: Ich brauche die Grundfähigkeit, achtsam zu sein auch in einem Coaching oder während einer Therapie. Welche Vorteile es uns da bringen kann, lies gern hier nach.

 

Kritik #1: Achtsamkeit statt Pausenbrot

Betrachten wir den Achtsamkeits-Trend einmal aus Blick des Arbeitgebers.
Ein motivierter und engagierter Mitarbeiter ist Gold wert. Er fällt weniger aus und ist bereit, mehr als das SOLL seiner Lebensenergie in die Firma zu investieren.

Ein überlasteter und überforderter Mitarbeiter dagegen verliert an Konzentration, beginnt Fehler zu machen und muss zwangsläufig irgendwann in eine Notlösung flüchten. Zum Beispiel in eine Krankschreibung.

Um das zu verhindern, wird heute eine Menge getan: Präventionskurse für Resilienz, Achtsamkeitskurse oder auch Ruhezonen finden wir mehr und mehr an modernen Arbeitsplätzen.

Allerdings lassen sich objektiv messbare Umstände von zu viel Verantwortung, hohem Aufgabenpensum, ständig wechselnden Anforderungen oder einem schlechten Arbeitsklima nicht einfach mal weg atmen.
Blickst du mit ein wenig Abstand darauf, wirst du bemerken, dass ein solches Angebot auch Erwartungen hat: Denn, wer es selbst mit so gut gemeinten Angeboten nicht schafft, gechillt zu bleiben, trifft schnell den falschen Rückschluss. Wie naheliegend scheint es dann, dass es wohl eher an der eigenen Kompetenz oder an der Arbeitshaltung liegt. Die wenigsten prüfen, dass ihre Erwartungen unrealistisch sind. Das will niemand hören oder auf sich sitzen lassen.

Die meisten zweifeln an sich, was eher zu erneutem Stress, als in die innere Ruhezone führt.

Betrachte die (auch unausgesprochenen) Erwartungen an deinem Arbeitsplatz einmal objektiv. In den seltensten Fällen scheitern wir an der Aufgabenstellung selbst, als vielmehr an den eigenen Empfindungen. Daran, dass zum Beispiel die Atmosphäre nicht stimmt, die Vorgesetzten etwas versäumen oder der Rückhalt fehlt.

Wenn mir immer mehr Aufgaben aufgeladen werden und ich mich schwer abgrenzen kann, ist es mit einem Achtsamkeitsritual eben nicht getan.

Das eine vom anderen zu trennen, ist gar nicht so leicht. Hier findest du zu einer ersten Bestandsaufnehme.

 

Kritik #2: Entwicklung als Selbstoptimierungszwang

Oder: Wenn glücklich-Sein zur Last wird.

Übertreiben wir es mit der Erwartung zum Konzept der Achtsamkeit, besteht die Gefahr, uns tendenziell eher mehr, als weniger Druck zu machen.
Zumindest, wenn wir unrealistische Ergebnisse erwarten. Dann machen wir uns das Leben sogar schwerer und komplizierter, weil es nicht so recht klappen will. Die Sehnsucht „besser zu werden“, endlich ein unerwünschtes Verhalten abzulegen, kann zur Sucht werden.

Mal ehrlich: Wir müssen nicht jeden schlechten Tag verstehen und ausbalancieren, um am nächsten Tag wieder ausgeglichen und gut gelaunt aufzuwachen. Ein wohlgesonnenes „Was soll`s“ kann manchmal Wunder wirken. Manches, ich behaupte sogar ziemlich viel, können wir getrost an uns vorbeiziehen lassen. Manchmal sind wir einfach besser beraten, zu akzeptieren, dass wir Lebewesen sind, uns nicht immer korrekt verhalten und auch negative Gefühle haben.

Wenn Selbstreflexion zum Zwang wird und dein Denken beherrscht, dann geht es dir, wie einer Klientin von mir. Als sie zu mir kam, überdachte sie jeden Schritt, den sie tat und nahm sich unfassbar kritisch unter die Lupe. Sollte es dir gerade ähnlich gehen, dann lass uns darüber sprechen und die Ausfahrt finden.

 

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Kritik #3: Die Zeit-gegen-Selbstfürsorge-Fall

Klappt das mit dem Loslassen nicht, müssen wir dann wohl doch weiter an uns arbeiten. So lautet das Credo der modernen Welt.
Leider kommt uns da der Faktor Zeit in die Quere.

Zeit ist knapp und damit kostbar. Sei es für die Pflichten oder für eine Runde Achtsamkeit.
Also wird die Übungseinheit zwischen „Mama-anrufen“ und Spülmaschine ausräumen geplant. Ich behaupte, pflichtbewusste „Durchhalter*innen“ lassen nicht das Geschirr stehen, wenn der Zeitplan platzt.
Muss doch eine Wahl entscheiden, gewinnt die Pflicht. Der Abwasch, die Einladung, die man nicht absagen kann, das gut genutzte Wochenende.
Wer hat schon die Gelassenheit in diesem Dilemma 15 Minuten dem Geschmack einer Rosine nachzuspüren?

Eine spürbar unbefriedigende Situation, die eher mehr Druck macht, als befreit, nicht wahr?

 

 

Kritik #4: Ungesunde Muster werden noch verstärkt

Stress entsteht, wenn etwas nicht so ist, wie es sein sollte.

Ein wundervoller Satz, wie ich finde.
Und er trifft das Kern-Dilemma von Stressgeplagten.

Und dieses Dilemma wird empfindlich als innerer Widerspruch registriert. Um diese Spannung aufzulösen, wird hart an sich gearbeitet, optimiert, geplant: an der Denkweise, an ihrer Planung, ihrer Performance und an ihrem Verhalten.

Ein wertzuschätzendes Bemühen, das aber scheitern muss. Denn oftmals geht es um tiefsitzende Muster.

?? Wer sich nämlich nicht ausreichend abgrenzen kann, darf sich fragen, was er befürchtet.

?? Wer im Stress ist, kann sich fragen, warum ihn das stresst.

?? Wer bereits morgens angespannt ist, kann herausfinden, wogegen er kämpft.

Die spannenden Antworten weisen darauf hin, dass es wohl doch einen Umweg zur Gelassenheit gibt. Mehr, als eine Entspannung dir verspricht.

Denn, wie so viele Dinge im Leben, erfüllen diese unliebsamen Verhaltensmuster ihren verborgenen Nutzen. Solange wir diesen aber nicht herausfinden und durch gesündere Wege ersetzen lernen, bleibt uns ihre wahre Absicht verborgen. Dann freuen wir uns zwar auf die Yogamatte für eine verdiente Auszeit, packen die Muster aber an der Garderobe gerade wieder mit ein.

 

 

Kritik #5: Entspannung auf der Überholspur

Ein rastloser, gehetzter Mensch verfolgt vor allem ein Ziel: er will etwas erreichen und dafür muss er funktionieren. Am besten schnell und effizient. Geht nicht, gibt`s nicht.

Übertragen wir diese Haltung auf die Entspannungs-Philosophie, kann auch das spannend werden.
Persönliche Veränderungsprozesse fordern manchmal nämlich Geduld, im schlimmsten Fall sogar Einsicht. Wie schön, es wäre mit 2-3 Skills gelöst und vom Tisch. „Das funktioniert nicht bei mir“, sind gute Erkennungshilfen, wo mit den falschen Erwartungen gestartet wird. Mir ist durchaus bewusst, das mag niemand hören und ich kann zu gut verstehen, wie verlockend es ist, dem schnellen Versprechen nachzujagen.

Doch, indem ich jeden Morgen 10 Minuten meditiere, verhindere ich noch nicht, wo ich mich selbst überfordere und in Richtung Burnout treibe.

Was du dagegen stattdessen tun kann, erfährst du in meinem kostenfreien Webinar:

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Kritik #6: Zu Risiken und Nebenwirkung frage deinen Arzt oder Therapeuten

Jason Linder machte darauf aufmerksam, dass mittlerweile mehr als 20 Studien veröffentlicht wurden, die ernste Folgen durch Achtsamkeit und Meditationserfahrungen zeigten.
Gut gemeint, bedeutet nicht immer gut.

Menschen mit traumatischen Erfahrungen und depressiven Zuständen (die nicht selten sind) wirkt die Vertiefung der Wahrnehmung eher problematisch. Sie verstärkt eben nicht nur angenehme, auch unangenehme Prozesse.

Auch Menschen mit Gesundheitsängsten, instabile oder unsichere Persönlichkeiten neigen ohnehin zu starker Selbstorientierung und sensibler Selbstwahrnehmung, sodass auch hier eher das Gegenteil hilfreich wäre: Stabilisierungstechniken anstelle von „in-sich-gehen“.

Die American Psychological Association ebenso wie das US-amerikanische National Institut of Health (NIH) weisen Psychologen zufolge in offiziellen Publikationen ausdrücklich darauf hin, dass Meditation gewisse „psychiatrische Probleme“ verschlimmern könne – das legt zumindest die Empfehlung nahe, ein wenig achtsam zu sein.
Oder einfach einen Arzt oder Therapeuten zu fragen. Im Zweifelsfall kann Holzhaken einfach die gesündere Variante sein.

 

 

Lange Rede, kurzer Sinn

Viele nutzten die Achtsamkeit heute zur Lebensoptimierung oder als Rückzug von Umständen, die sie nicht lösen können. Anstatt an den Verhältnissen, die sie dorthin führen, etwas zu verändern oder ihre eigenen ungesunden Muster zu beleuchten.

Achtsamkeit heißt achtsam zu werden(erste Schritte für mehr Achtsamkeit zeige ich dir hier). Für mich, für andere, für meine Umwelt. Zu erfahren was mich stresst und wie ich mich stresse.
Erst dann kann ich auch das Richtige lernen. Und den Rest in Ruhe beiseitelassen.

 

In diesem Sinne, wünsche ich dir viel Gelassenheit.
Deine Bea